Mit Entsetzen und Abscheu haben wir die unsäglichen Übergriffe gegen Frauen und die kriminellen Vorkommnisse der Silvesternacht zur Kenntnis nehmen müssen. Aber auch das Versagen von Polizei und Stadt und die desaströse Öffentlichkeitsarbeit im Anschluss haben uns bestürzt.
Doch das Wichtigste zuerst: Unser Mitgefühl gilt allen Frauen, die Opfer dieser schweren Straftaten gegen die Würde und das Recht auf Unversehrtheit geworden sind.
Frauen müssen sich überall in unserer Stadt sicher, unbeschwert und selbstbewusst bewegen können. Daher müssen die Täter der Silvesternacht schnell dingfest gemacht und bestraft werden. Und in Zukunft müssen Polizei und Ordnungsbehörden für sichere Verhältnisse sorgen. Und wir alle müssen wieder aufmerksam werden bei allen Formen sexualisierter Übergriffe und sexueller Gewalt. Daher wird die KölnSPD und ihre Frauenorganisation dieses Thema ganz oben auf die politische Agenda setzen.
Aber auch die Demonstration der Rechten und die Gewaltaktionen gegen Menschen mit Migrationshintergrund haben wir mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen müssen. Vor diesem Hintergrund haben wir große und berechtigte Sorge um den Erhalt der so oft beschworenen Willkommenskultur. In den letzten Tagen und Wochen ist deutlich geworden, dass wir diese positive Haltung in der Mehrheit der Bevölkerung nur bewahren können, wenn wir die Realität der Zuwanderung sehen und die damit verbundenen Probleme benennen und offensiv angehen.
Das ist jetzt nötig und es ist auch möglich: Denn seit der Silvesternacht reden die Menschen in unserem Land plötzlich wieder darüber, wie sie zusammenleben wollen. Sie diskutieren im Freundeskreis, in der Familie, am Arbeitsplatz, mit Bekannten oder mit Fremden über die Geschehnisse. Sie sprechen darüber, was geht und was nicht geht, beziehen Positionen zu den Vorfällen. Und sie beteiligen sich an einer großen gesellschaftlichen Debatte, für die die Vorfälle in Köln nur der Anstoß sind.
Was ist jetzt gefordert: Ein offenes Wort zur Realität in unserer Stadt aus Sicht der Menschen, die hier leben, gerne auch ein Streit um den richtigen Weg im Zusammenleben und die dazu notwendigen Rahmenbedingungen. Und die Grundwerte unseres Grundgesetzes, insbesondere die Achtung der Würde des Menschen – und das heißt aller Menschen – und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, als unverzichtbare Richtschnur der Debatte:
damit wir gemeinsam einen neuen Gesellschaftsvertrag schließen zum Zusammenleben in Köln.
Wir sehen es auch als unsere Aufgabe an, diese gesellschaftliche Debatte aufzugreifen und den notwendigen Diskurs intensiv und differenziert zu führen. Und dabei müssen wir uns dem schnell erwachten rechten Druck klar entgegenstellen. Dazu arbeiten die Funktions- und Mandatsträger der KölnSPD auf den verschiedenen politischen Ebenen und in unterschiedlichen Zusammenhängen auch jetzt schon zusammen.
Gemeinsam schlagen wir deshalb ein Gesamtkonzept vor:
Grundlagen für gelungene Integration
Alle Menschen sind gleich
Es gibt auch in unserer Stadt viele Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen: das sind die zu uns Flüchtenden, das sind aber auch Migranten der zweiten und dritten Generation, das sind junge Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss, das sind Familien, die in der zweiten oder dritten Generation von Harz IV leben, das sind alte Menschen ohne ausreichende Rente. Wir dürfen diese Menschen nicht gegeneinander ausspielen, wir müssen ihnen allen die Möglichkeit geben, in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt dazu zu gehören.
Das Recht auf Wohnen als Grundrecht
Es braucht ausreichend bezahlbaren Wohnraum, und dazu braucht es Wohnungsbau ohne ständiges Wenn und Aber. Damit sich alle eine Wohnung leisten und wir auch die Neuankömmlinge menschengerecht unterbringen können. Wir müssen damit aufhören, Naturschutz gegen Wohnungsbau auszuspielen. Und wir müssen unsere guten Konzepte endlich umsetzen.
Keine Unterbringung auf Kosten unserer Kinder
Wir müssen verstärkt alle Anstrengungen unternehmen und die belegten Turnhallen dringend wieder ihrem eigentlichen Zweck zuführen. Darauf hat die KölnSPD immer wieder hingewiesen. Die integrative Kraft des Sports muss für uns wieder nutzbar gemacht werden. Davon profitieren dann nicht nur die zugereisten Menschen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Bildungsangebote für alle Menschen
Wir brauchen zusätzliche Kitaplätze, Platz in Schulen und das entsprechend geschulte pädagogische Personal. Damit alle Kinder zu ihrem Recht kommen. Aber 2/3 der Ankommenden sind Erwachsene, darunter viele junge Männer, die zur Tatenlosigkeit verdammt sind. Deutschkurse, Schulabschluss- und Qualifizierungsmaßnahmen müssen dringend ausgebaut werden. Wir haben eine erprobte Infrastruktur mit der Volkshochschule, unseren Schulen der zweiten Chance, den Berufskollegs und den Beschäftigungsträger bereit. Sie alle brauchen jetzt finanzielle und unbürokratische Unterstützung von Kommune, Land und vor allem vom Bund.
Eine sichere Stadt für alle Beteiligten und an allen Orten …
… denn das ist eine der Voraussetzungen für einen offenen, vertrauensvollen Umgang mit dem „Fremden“. Dazu braucht es ein für die ganze Stadt geltendes Sicherheitskonzept, das alltägliche Anwendung findet, regelmäßige Sicherheits- und Präventionskonferenzen unter Einbeziehung aller Beteiligter, die Förderung neuer und Ausbau bestehender Projekte zur Gewaltprävention, und die Unterstützung von Maßnahmen und Projekten nicht-staatlicher Stellen zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens in der Stadtgesellschaft.
Und wir brauchen schnell ausreichend Schutzräume für Frauen, die vor Gewalt fliehen müssen – ob in Frauenhäusern oder in Wohngruppen.
Stärkung der Prävention
Es gibt viele gelungene Ansätze für Prävention: Beispiele sind die Fanprojekte, die „heroes“ als besonderes Projekt zur Gleichberechtigung, sind kulturelle Projekte in den Stadtteilen, sind Lesepaten in den Kitas und Schulen, es sind die vielen Initiativen vor Ort und auch die einzelnen Helfer in den Unterkünften. All diese Menschen tragen zur Stärkung des Miteinanders bei – sie brauchen Unterstützung, eine Anbindung an kommunale Strukturen und eine ausreichende Finanzierung für ihre wertvolle Arbeit.
Eine breite gesellschaftliche Diskussion
Wir müssen Gesprächsgelegenheiten nutzen und schaffen, bei denen Menschen ihre Sorge und Ängste, ihre Kritik aber auch ihre Anregungen und Ideen äußern können – für und mit Multiplikatoren und Stakeholder, für Nachbarschaften und ehrenamtliche Helfer und selbstverständlich auch für und mit Zugewanderten. Dazu gibt es in Köln eine breite Landschaft: Bürgerzentren, Jugend- und Seniorenzentren, Vereine, runde Tische und vielfältigste Netzwerke. Aber auch die Stadtverwaltung muss sich in diesen Fragen zu Wort melden, wie es das Schauspiel bereits in ausgezeichneter Weise tut. Und die Ausgabe des Stadtoberhauptes ist es, diese Prozesse zu unterstützen und zu organisieren.
Mit den Menschen im Gespräch
Auch wir leisten einen aktiven Beitrag: unsere Ortsvereine führen öffentliche Veranstaltungen durch, die MdL haben ein Format entwickelt: „Flüchtlinge und Zuwanderung – Lassen Sie uns darüber reden“. Unsere MdB thematisieren in „Fraktion vor Ort“-Veranstaltungen die europäische und internationale Flüchtlings- und Migrationspolitik. Wir beteiligen uns an Runden Tischen, sind in Kirchengemeinden und im Moscheebeirat aktiv und beteiligen uns seit vielen Jahren bei „Köln stellt sich quer“ und bei Stadtteilinitiativen im Kampf gegen rechte und rassistische Propaganda und Gewalt. Und überall werden wir für ein neues Miteinander werben.
Dokumente:
Antrag im Landtag: Gelingende Integration von Flüchtlingen. Ein Integrationsplan für NRW.
Flugblatt Integrationsplan für NRW
Beschluss SPD-Parteivorstand Integrationsplan für Deutschland
Gelsenkirchener Gespräche 5. März 2016: Rede von NRW-Fraktionsvorsitzendem Norbert Römer